Vom 15.5.25 – 24.5.25 richtete die Amateur-Chess-Organization (ACO) die Amateur-Weltmeisterschaft der „Super-Senioren“ (Altersklasse 65 +) aus. Gespielt wurde auf der griechischen Insel Kos im 5-Sterne-Hotel Atlantica Belvedere Resort. Neben optimalen Spielbedingungen bietet das Hotel einen hervorragenden All-In-Service, eine Anlage mit mehr als 20 Pools sowie einen tollen Strand. Insgesamt verteilten sich die ca. 70 Teilnehmer aus 14 Nationen – die weiteste Anreise hatten zwei Spieler aus Argentinien! – auf 6 Wertungsgruppen, ich selber trat in der zweithöchsten Gruppe (1901 – 2000 ELO) an. Am Abend vor dem Turnier gab es den traditionellen Sekt-Empfang auf der Terrasse des Hotels.
Leider waren in meiner Gruppe nur 10 Spieler gemeldet, so dass ein Rundenturnier gespielt wurde. Das machte meine Planung, an den beiden Tagen mit Doppelrunde nachmittags ein sog. „Bye“ zu nehmen, zunichte. Die erste Runde verlief sehr unspektakulär. Nach etlichen Abtäuschen endete die Partie gegen einen Gegner mit ELO 1916 bereits nach 23 Zügen Remis. In der zweiten Runde spielte ich gegen einen Belgier mit ELO 1986. In Zeitnot hörte mein Gegner auf, mitzuschreiben. Ich informierte den Schiedsrichter und es passierte – nix! Dadurch ließ ich mich derart aus dem Konzept bringen, dass ich eine eigentlich gute Angriffsstellung mit einem Figureneinsteller verdarb und verlor. Da fragt man sich, wozu ein Schiedsrichter im Saal ist … Kurios war die Nachmittagsrunde: Morgens beim Frühstück sprach mich mein Gegner (ELO 1991) darauf an, dass er eigentlich auch zwei „Byes“ geplant hatte. Also einigten wir uns schon beim Frühstück auf Remis und informierten die Turnierleitung – doch noch ein freier Nachmittag. In Runde 4 verkorkste ich als Schwarzer völlig die Eröffnung. Um überhaupt zu überleben, gab ich einen Bauern, allerdings stand der schon auf d7 und mein König auf d8! Irgendwie schaffte ich es jedoch, ein paar Komplikationen auf’s Brett zu bringen und mein Gegner (ELO 1967) entschied sich vorsichtshalber für eine Stellungswiederholung. Glück gehabt! In der fünften Runde konnte ich meinen ersten Sieg verbuchen. Mein Gegner aus Leherheide (ELO 1945) konnte in beidseitiger Zeitnot einen Bauern gewinnen, übersah dann allerdings im 41. Zug (!) ein Zwischenschach, das ihn einen Turm kostete. Nachmittags stand dann die zweite Doppelrunde auf dem Programm. Mein Gegner aus Tschechien (ELO 1926) konnte durch eine Fesselung einen Springer gewinnen. Um überhaupt noch Gegenspiel zu bekommen, opferte ich noch eine zweite Figur. Allerdings konnte der Weiße alle Drohungen abwehren und sich den ganzen Punkt sichern. Danach gab es einen freien Tag mit der Möglichkeit, an einer geführten Bustour teilzunehmen. Ich entschied mich aber lieber für einen Tag am Strand. In Runde 7 traf ich dann auf den späteren Turniersieger aus Polen (ELO 1926). Diesmal konnte ich als Weißer einen Bauern gewinnen, mein erfahrener Gegner inszenierte jedoch ziemlich starkes Gegenspiel, so dass auch diese Partie mit einer Stellungswiederholung und einer Punkteteilung endete. Die vorletzte Runde spielte ich mit Schwarz gegen den zweiten Belgier (ELO 1922). Hier bekam ich als Schwarzer ein ungewöhnliches Abspiel der Caro-Kann-Abtauschvariante (4. Se5!?) vorgesetzt. Irgendwie musste ich ja Boden gut machen, also entschied ich mich, einen Bauern am Königsflügel zu opfern, um Angriff zu bekommen. Das klappte auch sehr gut. Wie ich jedoch erst nach der Partie feststellte, hatte ich nicht einen, sondern zwei Bauern geopfert – tja, Schach kann schon seltsame Blüten treiben, ist ja aber auch kein Abzählreim 😉 . Trotzdem war mein Angriff erfolgreich und ich konnte einen Turm gewinnen. In der Analyse der Partie mit GM Daniel King bekam ich großes Lob: „Eine sehr lehrreiche Partie“, die es sogar bis in die Endauswahl zur schönsten Partie schaffte! In der letzten Runde wollte ich nochmal unbedingt gewinnen, also lehnte ich als Weißer vier Remisangebote meines Gegners (ELO 1918) ab. In einer komplexen Angriffsstellung mit nur noch zwei Minuten Restbedenkzeit willigte ich dann aber schließlich doch noch ins Remis ein. Damit war das Mindestziel 50 % erreicht und ich beendete das Turnier auf dem 6. Platz.
Die festliche Siegerehrung mit anschließendem Sektempfang fand dann wieder bei strahlendem Sonnenschein unter freiem Himmel auf der Terrasse des Hotels statt. Die ACO ehrt nicht nur die Sieger, sondern auch Teilnehmer mit der 5., 10. oder 15. Teilnahme. Und da es für mich auch bereits die fünfte Teilnahme an einer ACO-WM war, erhielt ich ebenfalls einen schönen Glaspokal.
Auch wenn es bei Turnierleitung und Schiedsrichter noch deutlich Luft nach oben gibt, war es insgesamt wieder eine schöne Veranstaltung. Dazu beigetragen hat natürlich das bereits sommerliche Wetter bei 25 Grad und Sonnenschein, aber auch die gemütlichen Abende mit Freunden bei leckerem Essen (meine Waage sagt: Leider 😉 ) und dem einen oder anderen erfrischenden Getränk! Einfach eine gelungene Kombination aus Schach und Urlaub.
Ralf Schöngart